Dienstag, 2. Januar 2007

Kasino am Schwarzenbergplatz: Grzegorz Jarzyna: Medea

Nach Euripides in München und vor Grillparzer in Graz und Augsburg eine polnische Medea. Der Autor und Regisseur versucht eine im Ansatz nicht uninteressante Aktualisierung. Kennte man nicht den Titel, würde man den Stoff erst gegen Ende identifizieren. Medea kommt von irgendwo aus dem Osten nach Wien in eine schöne Wohnung und turtelt mit ihrem Mann, über dessen Herkunft man sich nicht ganz klar wird. Dieser scheint mit seiner Firma Probleme zu haben und wechselt aus Ehrgeiz zu einer anderen, wobei er auch zu einem Wechsel seiner Partnerin gezwungen wird, da Justine, die Tochter des neuen Chefs, ihn begehrt. Das Vermieterpaar Tenor spielt eine mysteriöse Rolle, es taucht in entscheidenden Punkten auf und scheint dunklen Einfluß auf das Geschehen zu nehmen. Der neue Chef Eugen schickt einen Gangster, um Medea zu vertreiben. Freunde von Eugen veranstalten mit Medea dann eine Art Abschiedsparty. Die moderne Medea tötet ihre Kinder, die sinnigerweise Franz und Joseph heißen, mit Schlafpulvern. Ein rotes Kleid tötet schließlich auch Justine.
Vieles ist recht vordergründig und der Aktionismus überwiegt bei weitem die sprachliche Gestaltung und den dramatischen Aufbau. Die Ausstattung von Magda Maciejewska muß sich in den gegebenen Rahmen des Hauses fügen, tut dies aber sehr gekonnt. Die Musik von Jacek Grudzien fiel eher nicht auf.
Großartig die Schauspieler. Sylvie Rohrer spielt eine mondäne, eher einsame als fremdländische Medea. Roland Koch als Jason bricht erst am Schluß in Ekstase aus, scheint sonst kühl berechnend. Eine schauspielerisch, mehr noch artistische Leistung liefert Mareike Sedl als Justine. Sie entpuppt sich allmählich vom Dienstmädchen zur Gegenspielerin Medeas in Sexszenen mit Jason und der Auseinandersetzung mit Medea, geht aber in ihrer Sterbeszene mit unvorstellbaren Verrenkungen und kaum nachvollziehbaren Hervorwürgungen an alle Grenzen. Bemerkenswert auch die wie Schicksalsgötter wirkenden Tenors, Barbara Petritsch und Michael Gempart, harmlos scheinend, gefährlich existent.
Trotzdem: zu viel Aktionismus, zu wenig Sprache.

Theatron Kritikós

Wer lispelt, wird Schauspieler. Wer hustet, geht ins Theater. (Alexandra Lauterbach)

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

A. Holz: Phantasus
Erstausgabe der 100 Gedichte in Faksimile. Zeilensymmetrisch,...
Georgos - 8. Feb, 13:40
A Holz - J Schlaf: Die...
Naturalistisches Drama über eine Familie im Armenmilieu...
Georgos - 8. Feb, 13:33
A Holz-J Schlaf: Papa...
Experimentelle Prosa in 3 Teilen: Papa Hamlet, ein...
Georgos - 3. Feb, 14:47
F Schiller: Der Parasit...
Eine Übersetzunǥ/Nachdichtung nach Picard. Durchaus...
Georgos - 1. Feb, 11:36
R Wagner: Götterdämmerung...
Viel Fahrerei, aber ein immer wieder schönes Erlebnis....
Georgos - 31. Jan, 20:57

Links

Suche

 

Status

Online seit 6203 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 8. Feb, 13:40

Credits


Literatur
Museum
Oper
Operette
Theater
Veranstaltung
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren