Verdi: Othello, Semperoper Dresden
Die Semperoper kennenzulernen ist schon ein Erlebnis. Der Bau in dieser Umgebung, die Geschichte, der Blick vom Balkon. Auch erfüllt voller Klang das Haus, dringt ungehindert in die 2. Reihe des 4. Ranges. Enttäuschend trotzdem die Aufführung, vor allem die Inszenierung (Vera Nemirova aus Bulgarien) und das Bühnenbild (Johannes Leiacker aus Landshut). Da sind die Verstöße gegen den Text (mit 'die Waffen weg' kann Othello nicht abgeschlagene Bierflaschen meinen, ähnlich verhält es sich mit dem Taschenmesser beim Selbstmord) und natürlich jede Menge von Anachronismen. Hintergrund ist ja wohl der Kampf der Venezianer gegen die Türken vor einem halben Jahrtausend. Zypern wird hier aber als Touristenort geschildert (Badende im Bikini oder mit Badehose durchwandeln die Bühne, belästigen sogar in der Pause, indem sie vor dem Vorhang bummeln), auf Othellos Sturmlandung wartet hinwiederum ein umgestürzter Jeep, der an die Normandie erinnert. Das alles in einem Raum, der an die Beton-Badekabinen im Gänsehäufel erinnert. So wird der Handlung ja wohl jeder Ernst genommen, verstärkt durch unsinnige Bewegungen und Lagen, die Leidenschaft ausdrücken sollen. Trotzdem bringt das alles das dramatische Geschehen nicht ganz um. Ein Verdienst vor allem Paolos Gavanelli als Jago, dessen Gesang und Darstellung an Tito Gobbi erinnert, wenn er auch zwischen den Gänsehäufelbadekabinen seinen Cappucino trinken oder auf dem ungestürzten Jeep agieren muß. Nach schwächerem Anfang im Duett steigert sich auch die Desdemona von Annalisa Raspagliosi. Ermüdend und ermüdet der Othello von Janez Lotric, der weder stimmlich noch darstellerisch Register ziehen kann. Ein Koreaner mit einer sehr schönen Tenorstimme war der Cassio von Wookyung Kim, wenn er auch wie alle Koreaner ausdruckslos blieb. Ohne Tadel das Orchester unter Massimo Zanetti.
Georgos - 20. Jun, 15:01