LT Salzb Festsp: Bernhard: Ein Fest für Boris
Das Theater unserer Zeit hat mit Handlung und Geschehen nicht mehr viel zu tun, auch nicht mit Akteinteilung. So gibt es auch in diesem Stück zwei Vorspiele und das Fest. Im ersten Vorspiel monologisiert die beinlose Gute (Viviane de Muynck) im Negligé vor ihrer Dienerin Johanna (Nadine Geyersbach). Vieles erinnert an Samuel Beckett, nur daß dessen Figuren nicht psychologisch gesehen sind. Bei Bernhard geht es um Krankheit, naturbedingtem Verfall, Einsamkeit, Kälte und Trostlosigkeit. Die wohlhabende Dame der guten Gesellschaft redet auf Johanna ein, sie versucht eine Selbstbestimmung ihrer selbst und ihres Gegenübers. Ähnliches ist auch sonst bekannt, hier unterstützen eine gute Schauspielerin und die Regie die Selbstzerfleischung in fast unerträglicher Weise. Viele Wendungen Bernhard sind trefflich, andere wirken banal und überflüssig. Es entsteht aber ein dichtes Bild. Im zweiten Vorspiel kommen ‚Die Gute’ und Johanna von einem Wohltätigkeitsball, erstere im Abendkleid und mit Krone, letztere mit einem Schweinskopf. ‚Die Gute’ hat den ebenfalls beinlosen Boris (Thomas Wodianka) aus dem Asyl geholt und geheiratet. Er liegt im Bett, zerreißt das Leintuch und knüpft seine Lektüre an ein immer länger werdendes Band. Dialog gibt es auch jetzt keinen, Boris spricht keine drei Wörter, ebenso Johanna. ‚Die Gute’ beantwortet sich alles selbst, sie sinniert über die Teilnehmer am Wohltätigkeitsball, fragt Boris, ob er die aufgegebene Lektüre gelesen hat und freut sich auf das Fest zu Boris Geburtstag. Nach der Pause findet das Fest mit beinlosen Krüppeln aus dem Asyl statt. Dazu kommt eine kleine Musikband. Johanna muß mit zusammengebundenen Beinen rutschend servieren und wird von den Krüppeln schikaniert. Boris geht es ebenso. Das Fest ist nicht für ihn, wohl für ‚Die Gute’ Diese scheint sich in diesem Kreis wohlzufühlen. Die Krüppel liefern einige Beschwerden über das Asyl rundum ab, auch einige abgeschmackte Histörchen. Dann dürfen sie gehen. Boris versucht immer wieder, auf die Beine zu kommen, scheitert aber, fällt immer wieder hin. Johanna holt ihm einige Male auf, letztlich aber stirbt er (durch Johannas Zutun?). ‚Die Gute’ nimmt seinen Tod gelassen hin. Thomas Bernhard will uns wohl Beziehungslosigkeit und Egozentrik vorführen, wie der Mensch immer nach eigener Überhöhung sucht trotz Krankheit und Verfall. Letztlich bleibt auch das bei aller Bildung und allem Einsatz von Geldmitteln Selbstbetrug. Die Regie Christiane Pohles intensiviert diese Aussage, die Bühne (Annete Kurz) kreist dauernd, nur am Rand bleiben Fixplätze. Die Krüppel lagern auf Fauteuils, die sie allenfalls mit den Händen schieben können.
Ich war lange unentschlossen, ob ich mich dieser Sichtweise hingeben könne. Sie belastet doch sehr trotz einiger unpassender Lacher des Premierenpublikums.
Ich war lange unentschlossen, ob ich mich dieser Sichtweise hingeben könne. Sie belastet doch sehr trotz einiger unpassender Lacher des Premierenpublikums.
Georgos - 27. Jul, 12:16